Die A-Städte sind für Wohninvestment nahezu ausgereizt, auf der Suche nach neuen lohnenden Standorten kreist die Branche wie ein Adler über der Republik. Und stößt dann auf Kommunen nieder, die bislang nur wenige auf dem Schirm hatten: Neue Hot Spots heißen zum Beispiel Wuppertal, oder Magdeburg. Mittelgroße, recht unbekannte Städte wie Bünde oder Dormagen werden zu Geheimtipps mit Renditesteigerungspotenzial. Der Lagenwechsel vollzieht sich rasant.
Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Jutta Ochs
Die Metropolen und Schwarmstädte sind nahezu abgegrast oder eben nicht mehr zu bezahlen, die Renditen vegetieren im 3%-Bereich. Also müssen dringend neue renditeträchtige Hot Spots mit Steigerungspotenzial her. Die suchenden Blicke der Investoren und ihrer Berater sind seit Ende vergangenen Jahres an dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hängen geblieben. Eine Reihe der Städte dort würden von „internationalen und nationalen Akteuren zunehmend favorisiert“, haben CBRE und Savills Germany bei der Investmentbilanz zum Halbjahr 2017 festgestellt. Das NRW-Volumen steigerte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 45% auf 1 Mrd. Euro. Relativ frisch auf der Liste der Boomstädte in spe sind Essen sowie Kommunen im Großraum Düsseldorf wie Krefeld oder Wuppertal. „Ich selbst würde Geld in Wuppertal investieren“, sagt Karsten Lüttger, gebürtiger Dortmunder und Head of Residential Investment bei CBRE Deutschland.
Bevor die Bekleidungsindustrie durch die Verlagerungen nach Asien niedersank, gehörte Wuppertal mal zu den reichsten Städten Deutschlands. Es hat einen schönen Altbaubestand, gute S-Bahn- und Bahnanschlüsse und ist mit der Bergischen Universität Hochschulstandort. Der Stadtumbau in der City schreitet voran, geplant ist ein City-Outlet. Durch den Umbau am Bahnhof wird auch der Einzelhandelsstandort erweitert. Dass Wohnen in Wuppertal im Kommen ist, hat unter anderem auch Industria Wohnen verstanden und eine Projektentwicklung in Wuppertal in ihren Spezialfonds Wohnen Deutschland V aufgenommen. Laut IVD West sind in Wuppertal an sehr guten Standorten Preise von bis zu 3.800 Euro/m² zu erzielen, was eine Steigerung um 15% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Das lohnt sich doch, finden auch die regionalen Anbieter.
„Wuppertal ist für viele unserer klassischen Düsseldorfer Kunden ein zunehmend attraktiver Standort für Immobilieninvestitionen“, sagt etwa Stephan Ittrich-Tiltmann von Schnorrenberger Immobilien. Rund 360.000 Einwohner, 198.000 Wohnungen, ca. 493 Transaktionen 2016 – 13% mehr als im Jahr zuvor – und ein Anstieg des Geldumsatzes von ca. 24% im Jahr 2016 unterstrichen die steigende Investitionsbereitschaft. Gesucht würden von privaten Immobilienkäufern vorrangig Mehrfamilienhäuser in guten bis mittleren Lagen in einer Kaufpreisspanne zwischen ca. 300.000 und 600.000 Euro. Professionelle Investoren bevorzugten Mehrfamilienhäuser, Wohn- und Geschäftshäuser sowie Wohnanlagen mit Preisen zwischen 500.000 und 5 Mio. Euro.
Ähnlich wie Wuppertal ergeht es offenbar Krefeld. Das Internetportal Immowelt verzeichnet im ersten Halbjahr 2017 eine Steigerung der angebotenen Kaufpreise für Wohnungen um 17% (auf im Median 1.480 Euro/m2). Im Preissteigerungsranking von Immowelt landet Krefeld damit unter 79 untersuchten Großstädten auf Platz drei.
Doch nicht nur im Westen werden die Investitions-Perlen gesucht. Im Südwesten Deutschlands ist Frankfurts Nachbarin Offenbach ein Paradebeispiel für eine neue Boomstadt. Wobei neu relativiert werden muss, schon seit mehr als drei Jahren ist Offenbach ein Liebling des Wohninvestments. Und das nach Jahren, in denen die Stadt die unbeachtete hässliche kleine Schwester Frankfurts war.
Im Offenbacher Norden am Kaiserlei sowie auf der Hafeninsel planen und bauen ABG Frankfurt Holding, Primus Developments, CG-Gruppe, Nassauische Heimstätte und andere eine Wohnung nach der anderen. Im Frankfurter gesamtstädtischen Durchschnitt sind dafür 5.000 Euro/m2 hinzulegen, in Offenbach kann man mit 3.250 Euro/m2 hinkommen. Kein Wunder also, dass viele Familien sich dort etwas suchen, sagt Konstantin Lüttger. Hafeninsel und Kaiserlei – das sei ja praktisch Frankfurt. Die Jüngeren um die 30 interessierten sich auch nicht mehr für alte Vorurteile gegen Offenbach, das in den Augen ihrer Nachbarin bestenfalls C-Standort war. „Die Ausweichbewegungen rund um die A-Städte heben die Nachbarschaft Richtung A-Niveau“, sagt Lüttger.
Diese Verschiebungen und Aufwertungen sind aber auch gut in den Mikrolagen der Städte zu beobachten. Der Stadtteil Frankfurt-Höchst, im Westen der Stadt gelegen, litt bis vor kurzem am innerstädtischen C- bis D-Lagen-Image. Der Industriestandort – früher Hoechst, heute Industriepark Höchst – hatte die Zerschlagung des Konzerns sowie das Schließen von traditionellem Einzelhandel und einem großen Kaufhaus nur langsam verkraftet. Mittlerweile gibt es ein städtisches Sanierungsprogamm – das Mainufer mit den attraktiven historischen Bauten ist neu gestaltet, der barocke Bolongaropalast wird umfangreich saniert – und eine neue Kulturstätte.
In diesem Sog wird Höchst zum neuen Geheimtipp fürs Wohnen in Frankfurt – zu noch erträglichen Preisen. Überall entstehen Eigentumswohnungen, etwa im ehemaligen Kreishaus, wo Dolphin Capitals als Bauträger nach einer Pleite einsprang. MP Immobilien oder Krieger + Schramm sind einige weitere aus dem Kreis der Bauträger in Höchst. Die Preise befinden sich – noch – auf Offenbacher und nicht auf Frankfurter Niveau. Lüttger: „Ich kenne einige, die sich jetzt ärgern, weil sie vor ein paar Jahren in Höchst verkauft haben.“ Gemeinsam mit Frankfurt-Niederrad hält Lüttger Frankfurt-Höchst für den kommenden Stadtteil Frankfurts, nachdem der einstige Newcomer Gallusviertel in der Nachbarschaft des neuen Europaviertels schon mehr als abgegrast ist.
Im Osten gilt Magdeburg als neuer Durchstarter
Im Osten der Republik ist Magdeburg der Durchstarter. Laut Immowelt sind dort aktuell die angebotenen Kaufpreise um 31% im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr gestiegen. Die Preise erreichen jetzt 1.400 Euro/m2 im Median. Velero Partners kaufte im Auftrag von Asterion Wohnen, Luxemburg, gerade erst kräftig in Magdeburg ein. Trotz Leerständen und Mieten im Schnitt von 5 Euro/m2 wird mit einer Anfangsrendite von 6,4% kalkuliert. Die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts erfreut sich eines vergleichsweise kräftigen Bevölkerungswachstums (ca. plus 10.000 seit 2011). Auch die ZBI-Gruppe glaubt an Magdeburg und hat unter anderem dort für ihren Spezial-AIF ZBI Wohnen Plus I investiert und rund 160 Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten erworben. Laut der Niederlassung von Aengevelt ist für Bestandswohnungen in Magdeburg mit einer Bruttoanfangsrendite von 5,45% bis 8,3% p.a. zu rechnen. In den A-Städten ist man ja höchstens noch bei 3% bis 4%.
In den Fokus geraten auch ziemlich unbekannte, aber prosperierende Mittelstädte, wie etwa das westfälische Bünde. Die Stadt mit ihren rund 47.000 Einwohnern gehört zu den Investitionsstandorten von Bestandsentwickler Noratis. In diesem „gesunden kleinen Städtchen“ mit Arbeitgebern wie dem bekannten Modellbausatzhersteller Revell sehen die Noratis-Vorstände Igor Christian Bugarski und André Speth erhebliche Entwicklungschancen. Ebenso in Dormagen im Rhein-Kreis Neuss (rund 65.000 Einwohner). Die Strategie heißt fast immer: kaufen, aufwerten, zwei bis drei Jahre halten und wieder verkaufen. Die Maßgabe für Projekte lautet: Zweistellige Renditen müssen über die gesamte Laufzeit hinweg mindestens herauskommen. Das wird erreicht, indem wie in einem Fall in Dormagen in einer Siedlung der Leerstand innerhalb eines Jahres halbiert wurde und dank der Sanierung bei Neuvermietung statt 5 Euro/m2 im Schnitt 7 Euro/m2 erzielt werden können. Ein Hochhaus, Baujahr 1969, 147 Wohneinheiten, ist nach einem Leerstand von mehr als 50% jetzt voll vermietet. Dazu ist aber erhebliche Basisarbeit notwendig, seinen Standort müsse man bis aufs Detail kennen und um die Mieter werben, sagen die Noratis-Chefs. Bis vor kurzem war die Konkurrenz für Noratis bis auf kleinere lokale Akteure überschaubar. Jetzt treffen sie immer häufiger auf „die größeren Player“, darunter Vivawest oder LEG, die sich zunehmend in den Randlagen tummeln, auf die Noratis spezialisiert ist.